Mitgefühl und Fürsorge

Was hilft’s, Brüder und Schwestern, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen? Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und Mangel hat an täglicher Nahrung und jemand unter euch spricht zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was hilft ihnen das? So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.
Aber es könnte jemand sagen: Du hast Glauben, und ich habe Werke. Zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, so will ich dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken. Du glaubst, dass nur einer Gott ist? Du tust recht daran; die Teufel glauben’s auch und zittern. Willst du nun einsehen, du törichter Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist?
Ist nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerecht geworden, als er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte? Da siehst du, dass der Glaube zusammengewirkt hat mit seinen Werken, und durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden. So ist die Schrift erfüllt, die da spricht: »Abraham hat Gott geglaubt und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden«, und er wurde »ein Freund Gottes« genannt. So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein. Desgleichen die Hure Rahab: Ist sie nicht durch Werke gerecht geworden, als sie die Boten aufnahm und sie auf einem andern Weg hinausließ? Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot. Jakobus 2,14-26 (Predigttext – 18. Sonntag nach Trinitatis)

Der Apostel Jakobus müht sich hier ab, das merkt man seinen Worten heute noch an. Irgendjemand hatte den Irrglauben verbreitet, es sei gleichgültig, was wir tun; wir seien ja schon längst gerecht durch den Glauben. So ähnlich klingt es beim Apostel Paulus. Aber eben nur so ähnlich. Ja, wir müssen Gott nichts beweisen und müssen uns Gott nicht verdienen. Er dient uns durch Liebe. Das heißt aber nicht, dass Menschen sich zurücklehnen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Geliebt sein heißt lieben. Man kann dann nicht mehr anders. Wer die Liebe in seinem Leben fühlt, gibt davon weiter. Darüber wird nicht lange oder gar nicht diskutiert – das geschieht einfach. Geliebte lieben. So ist das. Es ist ein Lebensgefühl. 

Lebensgefühl strahlt der Mensch aus, dessen wir in diesen Tagen gedenken können. Der sogenannte "Walzerkönig" Johann Strauß, Sohn des gleichnamigen Vaters, würde 200 Jahre alt. Ihm verdanken wir nun wirklich ein besonderes, ganz eigenes Lebensgefühl, nämlich das des Walzers. Als Kapellmeister und Komponist schuf er Werke wie "An der schönen blauen Donau" und Operetten wie "Die Fledermaus". Alles ist beschwingt; das Leben bewegt sich wie im Rausch, die Liebe ist um uns und in uns. Dieses Lebensgefühl strahlt Strauß aus, der mit 73 Jahren kinderlos starb und in Wien begraben ist, wo er auch geboren wurde.

Geliebte wollen lieben. Es drängt sie geradezu danach. Das will der Apostel Jakobus hier mit aller Leidenschaft feststellen und gar nicht erst den Verdacht aufkommen lassen, der Glaube in einem reinen Herzen sei genug. Liebe ist nie genug, das wissen die, die sich von Gott geliebt fühlen. Darum ziehen sie ihre Kreise wie ein Stein, der ins Wasser fällt. Sie strahlen Liebe aus: Mitgefühl und Fürsorge. Das verstehen wir dann auch nicht als Arbeit, sondern wieder als Lebensgefühl. Weil es auf uns selbst zurückstrahlt. Liebe strahlt in alle Richtungen. Und wir erhalten manchmal etwas zurück, was wir nie für möglich gehalten hätten. Das ist dann der Augenblick, in dem wir schweben, sozusagen walzermäßig, und Gott danken für das Leben in Liebe.